Zum Tod von Hannes S. Macher – ein Nachruf von Alfons Schweiggert

Dass er einmal einer der kundigsten Kenner Münchens und Bayerns werden würde, war dem am 15. Januar 1943 in Schwabing geborenen Hannes sicher nicht in die Wiege gelegt, war sein Vater doch Gründer und Miteigentümer der renommierten Münchner „Baufirma Macher und Preis“.  Doch bereits während seiner Schulzeit am Münchner Wittelsbacher Gymnasium machte sich der aufgeweckte Schüler mit ersten journalistisch-literarischen Schreibversuchen in der Schülerzeitung „Wittelsbacher Kurier“ einen Namen. Es verwundert nicht, dass er sich nach dem Abitur 1963 an der Ludwig-Maximilians-Universität dem Studium der Germanistik zuwandte, wobei er zusätzlich Vorlesungen in den Fachrichtungen Geschichte und Politische Wissenschaften, Philosophie, Pädagogik und Theatergeschichte belegte.

1974, gleich nach dem Staatsexamen für das Höhere Lehramt in München, trat er mit Kulturberichten über München in Erscheinung, die nicht nur in bayerischen Zeitungen, sondern auch in Wiener und Berliner Blättern publiziert wurden. Seine journalistische Tätigkeit setzte er auch als Gymnasiallehrer fort und berichtete für zahlreiche Tageszeitungen und Zeitschriften über Münchner Opern- und Theaterpremieren, aber ebenso über die Bayreuther, Bregenzer und Salzburger Festspiele sowie über Ausstellungseröffnungen und Buchpräsentationen.

Jedes bedeutsame Kulturereignis in München und Bayern wurde von ihm kenntnisreich kommentiert. Im Lauf von 50 Jahren entstanden auf diese Weise mehr als  tausend Feuilletonartikel. Hinzu kamen vielbeachtete Interviews mit zunächst noch unbekannten  Autor*innen, so etwa mit Martin Sperr, Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz oder Kerstin Specht. Es blieb nicht aus, dass sich Macher als Lehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik nicht scheute, die Vernachlässigung der politischen Bildung an bayerischen Schulen energisch zu kritisieren. In seiner Funktion als Deutschlehrer lud er immer wieder bekannte Autor*innen zu Dichterlesungen zu sich an die Schule ein, leitete mit großem Engagement eine Schultheatergruppe und veranstaltete inspirierende Workshops für Nachwuchsschriftsteller. 

Doch im Mittelpunkt seines Interesses standen vor allem Bayerns Geschichte und Literatur. Macher hielt dazu regelmäßig Vorträge, leitete Symposien und saß in diversen Jurys. Für etliche wissenschaftliche Publikationen – u.a. für das „Handbuch der Literatur in Bayern“ (1987), „Die Chronik Bayerns“ (1994) und „Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ (1997) – verfasste er zahlreiche, viel beachtete Beiträge. Zahllos sind seine lesenswerten, einfühlsamen Rezensionen zu allen wichtigen Neuerscheinungen der Bavarica-Literatur, die in unterschiedlichen Zeitungen, Zeitschriften und im Bayerischen Rundfunk erschienen. Auch wenn sich nicht alle von seinen durchwegs kritischen Urteilen geschmeichelt fühlten, seine fundierten Beiträge fanden immer mehr Zustimmung.

Zusammen mit dem Schriftsteller und Turmschreiber Günter Goepfert leitete Macher den Bavarica-Teil der Zeitschrift „Bayerland“. 1984 war er einer der Initiatoren und Mitbegründer des renommierten Periodikums „Literatur in Bayern“, in dessen Redaktionsbeirat er bis zu seinem Tod tatkräftig mitwirkte. Doch damit nicht genug, Macher war auch noch Chefredakteur der von ihm 1988 mitbegründeten und bis 2016 von ihm redigierten Zeitschrift „Forum Politikunterricht“, dem Verbandsorgan der bayerischen Sozialkunde- und Geschichtslehrer. Und auch als Herausgeber zahlreicher Bavarica-Titel betätigte er sich, darunter etwa die „Föhn“-Anthologie (1988), „Unterm Kastanienbaum“ (1992 mit Albert Bichler) und die „Liebeserklärung an München“ in zwei Bänden (2008 und 2009). Mit dem Bändchen „Hinterglasbilder aus Altbayern und Schwaben“ (1990) schuf er ein Standardwerk. Unterstützt wurde Hannes Macher bei seinem gewaltigen Arbeitspensum stets tatkräftig von seiner Frau Christine.

Ich durfte mit Hannes Macher gemeinsam Benedikt Hirschbolds Grundschulklassiker „Unsere Heimat München“, die 1999 in 22. Auflage erschien, aktualisieren. Auch bei der Herausgabe des 416 Seiten umfangreichen Handbuchs „Autoren und Autorinnen in Bayern, 20. Jahrhundert“ wirkten wir beide zusammen und dies auch als Verfasser etlicher Beiträge darin.

Auszeichnungen lehnte Hannes S. Macher stets bescheiden ab, ließ es aber geschehen, als ihm 1993 überraschend die letzte „Literatenkerze“ der Schwabinger Katakombe überreicht wurde. Wegen seines Einsatzes für die politische Bildung an bayerischen Schulen wurde er mit Urkunden der Theodor-Heuss-Stiftung (1993) und der Initiative Demokratisch Handeln (2001) geehrt und nach 27jähriger Tätigkeit als Chefredakteur der Zeitschrift „Forum Politikunterricht“ 2015 zum Ehrenmitglied des Landesverbandes Bayern  der Deutschen Vereinigung für politische Bildung e.V. ernannt.

Aufs engste verbunden fühlte sich Macher vielen Turmschreiber*innen, deren Werke er mit besonderem Interesse verfolgte. Mehrfach wollte ihm unsere literarische Vereinigung den „Bayerischen Poetentaler“ verleihen. Doch stets winkte er bescheiden ab. „Da gibt es doch viel wichtigere Persönlichkeiten als mich“, meinte er, „vielleicht später einmal.“

Mitte April 2023 starb Hannes S. Macher im Alter von 80 Jahren. Auch wenn der Tod ihm den „Poetentaler“ nicht vergönnte, posthum hat er ihn für alle seine umfassenden literarischen Aktivitäten auf jeden Fall mehr als verdient. Vor allem aber ist diesem herausragenden bayerischen Publizisten, Buchautor und kritischen Pädagogen eines sicher, dass ihm die Turmschreiber*innen, die sich dankbar vor ihm verneigen, für immer ein ehrendes Gedächtnis bewahren werden.